Schnell stand fest, dass es kein reiner Eisklettertrip werden sollte. Dazu war das Potenzial des Landes und des Kaukasus einfach zu groß. Nach einem ersten dreitägigen kulturellen und kulinarischen Zwischenstopp (georgischer Wein und Speisen sind der Hammer!) in der Hauptstadt Tiflis, brach die zunächst vierköpfige Gruppe (Oli und Marie Eidner, Tobias Rieder und Jan Friedrich) am 24.12. nach Gudauri auf, dem angesagtesten Ski-Ressort im Kaukasus, um vom dortigen Basecamp aus den geplanten sportlichen Aktivitäten nachgehen zu können. So versprachen wir uns für den Fall der Fälle, einen Plan B und ein Back-Up offen zu halten. Und genau diese sollten wir brauchen.
Bereits lange vorab hatten wir uns der Unterstützung eines georgischen Eiskletter-Insiders versichert. Der brachte bereits in Tiflis schlechte Nachrichten. Keiner der vorab besprochenen Fälle stand. Einzig für den Fall bei Kazbegi bzw. Stepanzminda (nahe der russischen Grenze) bestand noch Hoffnung, dass dieser sich noch schließen könnte. Und um es zuzuspitzen, bei unserer Ankunft in Gudauri gab es nicht einmal Schnee. Alles sah trostlos braun aus. Die letzte Hoffnung auf weiße Abenteuer sank rapide. Zumindest wollten wir aber den Abend retten und frequentierten eine ordentliche russische Banja (heiß – heißer – Banja).
Aber zum Glück schlug bereits am nächsten Abend das Wetter um und das zarte Pflänzchen Hoffnung keimte wieder auf. Nur 24 Stunden später war alles in tiefes Weiß getaucht. Und bei einer Erkundungsfahrt in der Umgebung entdeckten wir, wie aus dem Nichts, direkt neben der Passstraße nach Russland unseren ganz eigenen kleinen Eisfall mit zwar gerade einmal ca. 15 Meter hohem Steileis, aber den hatten wir in der Folgezeit ganz für uns – abgesehen von den vielen Schaulustigen, die gar nicht glauben konnten, was wir da eigentlich trieben.
Schon am ersten Pickeltag entdeckten wir, dass es oberhalb des von der Straße aus einsehbaren Sockels noch deutlich weiter hinauf ging. Nach ersten Schätzungen knapp 60 - 70 Meter, wenn auch relativ einfach eingeschätztes WI2-3er Gelände. Aber das hoben wir uns für einen der nächsten Tage auf. Zunächst einmal akklimatisierten wir uns, übten das Einrichten von Standplätzen und durchstiegen die möglichen Routen in verschiedenen Varianten.
Einen Tag später traf Stefan Kurs als Nachzügler ein. Wieder ging es zu unserem Fall und wir hatten uns getäuscht. Das für die lange Variante mitgenommene 80-Meter-Seil reichte nicht annähernd für diese Seillänge aus. Unsere Augen hatten uns einen Streich gespielt und Topos existierten nicht. Da es sich aber nach oben hin immer leichter gestaltete, konnte auf einen Zwischenstandplatz verzichtet werden und so ging es „fliegend“ weiter.
Abgesehen von unserem Plan A fokussierten wir uns in der Folgezeit zusehends auch auf andere Aktivitäten und kosteten die Bandbreite der möglichen Aktivitäten gehörig aus: Ski, Schneeschuhen, Gleitschirmen und Schneemobilen sei Dank – abgesehen vom schon erwähnten georgischen Wein und Essen (ich befürchte, wir haben alle ordentlich zugenommen bei diesem Trip) sei an dieser Stelle jedem Besucher des Landes unbedingt die georgische Spezialität Tschatscha ans Herz gelegt … oder vielleicht auch nicht. Die genaue Prozentangabe dieses Brandes konnte uns nie vermittelt werden und variiert wohl durchaus. Blind geworden sind wir jedenfalls nicht. Auf jeden Fall hatten wir bis zur Abreise am 3. Januar einen schönen und erlebnisreichen Aufenthalt, der ganz anders verlief als geplant. Dafür aber um viele tolle und nicht missen zu wollende Erfahrungen reicher bestiegen wir den Flieger in die Heimat. Okay, Flüge mit der LOT streichen wir in Zukunft wohl lieber. Die Quote der Gepäckverluste auf Hin- und Rückweg ist einfach hundsmiserabel hoch.